Regulative Musiktherapie (RMT) nach Christoph Schwabe

10. Mai 2025

Einführung

Die Regulative Musiktherapie (RMT) ist eine rezeptive musiktherapeutische Methode, bei der das bewusste Hören von Musik im Mittelpunkt steht. Sie wurde ab 1968 von Christoph Schwabe in der DDR entwickelt und zählt heute zu den international anerkannten musiktherapeutischen Verfahren. Ziel der RMT ist es, durch gezielte Musikrezeption die Selbstwahrnehmung zu fördern und psychische sowie psychosomatische Symptome zu regulieren.


Historischer Hintergrund

  • Antike: Musik wurde als Heilmittel eingesetzt, oft in Verbindung mit rituellen Praktiken.
  • 19. Jahrhundert: Einsatz von Musik bei hypnotischen Séancen und zur Behandlung psychischer Störungen.
  • DDR (ab 1960er Jahre): Christoph Schwabe etablierte die RMT als eigenständige Methode in klinischen Settings.
  • International: Seit den 1990er Jahren zunehmendes Interesse an rezeptiven Musiktherapieformen, insbesondere im angloamerikanischen Raum.

Grundprinzipien der RMT

1. Akzeptierendes Wahrnehmen

Im Zentrum steht das „akzeptierende Wahrnehmen“ von Gedanken, Gefühlen, Körperempfindungen und Musik. Dabei geht es nicht um Bewertung oder Veränderung, sondern um das bewusste Erleben und Annehmen des momentanen Zustands.

2. Regulatives Verhalten

Durch das Training des akzeptierenden Wahrnehmens sollen Patienten lernen, ihre inneren Spannungen zu regulieren, ohne sie zu unterdrücken oder zu vermeiden. Dies fördert die Entwicklung eines gesunden Umgangs mit belastenden Emotionen und Symptomen.

3. Musik als Medium

Verwendet werden vorwiegend klassische Musikstücke mit spezifischen Eigenschaften:

  • Beruhigende Musik: Langsame Tempi, harmonische Melodien (z. B. Mozart: Violinkonzert G-Dur KV 218, 2. Satz).
  • Aktivierende Musik: Schnelle Tempi, kontrastreiche Dynamik (z. B. Brahms: Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur, 1. Satz).

Die Auswahl erfolgt individuell und orientiert sich an der therapeutischen Zielsetzung.


Therapeutischer Ablauf

Struktur einer RMT-Sitzung

  1. Vorbereitung: Einnahme einer bequemen Sitz- oder Liegeposition.
  2. Musikrezeption: Bewusstes Hören des ausgewählten Musikstücks.
  3. Wahrnehmung: Fokussierung auf innere Erlebnisse während des Hörens.
  4. Reflexion: Austausch über die gemachten Erfahrungen in der Gruppe oder im Einzelgespräch.
  5. Integration: Übertragung der Erkenntnisse in den Alltag.

Stufen des Wahrnehmungstrainings

StufeZielsetzung
1Unvoreingenommenes Wahrnehmen aller inneren Erlebnisse.
2Differenzierte Beschreibung spezifischer Wahrnehmungen.
3Erkennen von Gefühlsreaktionen und deren Zusammenhang mit Wahrnehmungen.
4Unterscheidung zwischen akzeptierten und nicht akzeptierten Wahrnehmungen.
5Entwicklung von Strategien zum Umgang mit belastenden Wahrnehmungen.
6Anwendung der erlernten Strategien im Alltag.

Anwendungsgebiete

Die RMT findet Anwendung bei verschiedenen psychischen und psychosomatischen Störungen:

  • Depressionen und Angststörungen
  • Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS)
  • Burnout und Stresssymptome
  • Psychosomatische Beschwerden
  • Chronische Schmerzen
  • Neurologische Erkrankungen

Studien belegen die Wirksamkeit der RMT, insbesondere bei der Förderung der emotionalen Selbstregulation und der Reduktion von Stresssymptomen. (ResearchGate)


Ausbildung und Weiterbildung in Berlin

In Berlin gibt es verschiedene Möglichkeiten, sich in der Regulativen Musiktherapie ausbilden zu lassen:

  • Universität der Künste Berlin (UdK): Angebot eines Masterstudiengangs in Musiktherapie mit Schwerpunkt auf rezeptiven Methoden.
  • Institut für Musiktherapie Berlin: Weiterbildungsangebote und Zertifikatskurse in RMT.
  • Akademie für angewandte Musiktherapie Crossen: Von Christoph Schwabe gegründete Einrichtung mit Schwerpunkt auf RMT.

Literaturhinweise

  • Schwabe, C. (1979). Regulative Musiktherapie. Gustav Fischer Verlag.
  • Schwabe, C. (1978). Methodik der Musiktherapie und deren theoretische Grundlagen. Barth Verlag.
  • Decker-Voigt, H.-H. (1991). Aus der Seele gespielt. Eine Einführung in die Musiktherapie. Kösel-Verlag.
  • Tüpker, R. (2005). Die therapeutische Nutzung von Musik: Musiktherapie. In: de la Motte-Haber, H.; Rötter, G. (Hrsg.): Handbuch Musikpsychologie. Laaber-Verlag.

Fazit

Die Regulative Musiktherapie bietet einen strukturierten Ansatz zur Förderung der Selbstwahrnehmung und emotionalen Regulation durch Musik. Sie ist wissenschaftlich fundiert und hat sich in der klinischen Praxis bewährt. Für Interessierte in Berlin stehen vielfältige Ausbildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten zur Verfügung.